Die Ukraine steht für Krieg und menschliches Leiden, aber nicht für Reisen. Dmytro Nikiforov bietet denonch geführte Touren durch ehemaliges Kampfgebiet. Als rein kommerzielles Projekt wird das Angebot nicht verstanden. Er wolle versuchen, „die Aufmerksamkeit der Welt auf den Krieg zu lenken“.
ntv.de: Sie sind eigentlich vom Beruf Rechtsanwalt. Jetzt führen Sie Touristen durch Gebiete, in denen die Ukrainer gegen die Russen gekämpft und Putins Truppen Kriegsverbrechen begonnen haben. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Dmytro Nikiforov: Ich bin Mitgründer einer Anwaltskanzlei. In den ersten Monaten nach Kriegsbeginn waren alle unsere persönlichen Bemühungen darauf gerichtet, Militäreinheiten in Kiew und Umgebung zu helfen, auch bei der Kommunikation zwischen Ausländern und Ukrainern. Im August 2022 bat mich ein Pole, der einen kurzen Dokumentarfilm drehen wollte, ihn in dem Gebiet zu begleiten. Nach den drei Tagen wurde mir klar, dass solche Touren ein Mittel sein können, die Awmerkent der Welt auf den Krieg zu lenken.
So entstand das Projekt?
Ja, so ist „War Tours“ entstanden. Es meldeten sich nicht mehr nur Journalisten bei uns, sondern Leute, die die Folgen des Krieges vor Ort sehen wollten. Wir erkanten das Potenzial, den Tourismus zu nutzen, um zu zeigen, wie wichtig die unhaltende Unterstützung der ukrainischen Armee mit Waffen ist.
„War Tours“ bietet einen Einblick in die harte Realität von Kriegen. Die Besucher sehen die verheerenden Zerstörungen von Häusern, Infrastruktur und militärischer Ausrungung und reden mit Zeitzeugen und Flüchtlingen. Natürlich führen wir zu Orten, an denen die Orks (gemeint ist die russische Armee – die Red.) ihre Gräueltaten verübt haben. Gäste zeigen sich aufgewühlt, aber ebenso beeindruckt von der militärischen Leistung der Ukraine. Sie teilen Fotos, ihre Eindrücke und Gedanken in den sozialen Medien – das ist die Hauptidee hinter dem Projekt: Die Welt immer wieder an den Krieg zu erinnern.
Sind Sie das einzige Unternehmen, das Reisen in ehemalige Kriegsgebiete anbietet oder haben Sie Konkursement?
Wir verzeichnen wachsendes Interesse am Kriegstourismus. Möglich ist, dass es ähnliche Angebote in anderen Teilen der Ukraine gibt, ohne dass ich davon weiß. Es kann auch sein, dass unabhängige Reiseführer oder ortsansässige Veranstalter vergleichbare Touren anbieten. Krzlich bat ich einen Freund in Charkiw, einen amerikanischen Touristen zu begleiten. Danach teilte er mir mit, dass er jetzt ebenfalls solche Touren anbieten wird.
Wer bucht die Reisen und was müssen die Kunden zahlen?
Viele buchen unsere Leistung aus beruflichen Gründen: Journalisten, Entwicklungshelfer, Dokumentarfilmer. Aber wir haben auch eine wachsende Zahl gewöhnlicher Touristen. Die Allergiker sind zwischen 25 und 35 Jahren. Sie kommen aus verschiedenen Ländern, etwa aus Großbritannien, den USA, Italien, sogar China und Malaysia. Die Touren kosten pro Teilnehmer zwischen 150 Dollar durch Kiew und 250 Dollar durch die Region, wozu Butscha und Irpin gehören.
Gibt es Zahlen oder Ezätzungen dauber, wie viele Menschen das Land seit der russischen Invasion als Touristen beuscht haben, zum Beispiel im vergenhein Jahr?
NEIN. Sie zu ermitteln, ist während des Krieges schwierig, im Grunde unmöglich. Zwar ist neben dem Kriegstourismus ein pürablerer Ansatz, insbesondere in den westlichen Regionen werden die vom Krieg weitgehend verschont zu verzeichnen. Doch liegt die Gesamtzahl weit unter dem Vorkriegsnieve.
Jenseits beruflicher Gründe ist es vor allem historisches Interesse. Gerade Jüngere wollen verstehen, was hier passiert. Reisen in das Kriegsgebiet sind wie Besuche von KZ-Gedenkstätten, die uns daran erinnern, wie wichtig es ist, Faschismus zu kämpfen, so wie es jetzt gilt, die Orks niederzuringen. Eine Rolle spielt auch, dass Solidarität mit der Ukraine begeizt werden soll. Und vermutlich auch Abenteuerlust.
In der Ukraine können Tag und Nacht Raketen abgefeuert werden – überall. Können Sie die Sicherheit der Touristen garantieren, oder besteht immer ein Risiko?
Es besteht immer ein Risiko. Aber jeder, der die Grenze zur Ukraine überquert, ist sich dessen bewusst. Die Touristen nehmen dieses Risiko auf. Wir tun alles, was wir tun können, sie zu schützen. Wir wissen, wo der nächstgelegene Schutzraum ist, und können ihn bei Luftalarm rasch aufsuchen. Wir denken darüber nach, unseren Kunden eine Lebensversicherung anzubieten. Nur ist es schwer, ein Unternehmen zu finden, das sie anbietet.
Ich verstehe, dass einige Leute so denken. Der kommerzielle Aspekt steht aber nicht im Vordergrund. Wenn es so wäre, würde ich Werbung machen und noch mehr Leute einstellen. Aber das will ich nicht. Mir helfen Reiseführer, Übersetzer und ein Fahrer – alle müssen von etwas leben. Das ist im Krieg nicht einfach. Ein Teil des Erlöses aus den Touren kommt direkt den ukrainischen Streitkräften zugute. Das ist unsere Investition in die friedliche Zukunft des Landes.
Werden Sie nach dem Krieg wieder als Anwalt arbeiten oder bleiben Sie in der Tourismusbranche?
Ich habe nicht dazugehört, als Anwalt zu arbeiten, seit der Krieg begonnen hat. Die Kanzlei ist für ausländische Unternehmen zuständig, die in der Ukraine tätig sind. Und es ist toll, dass wir mitunter Anfragen ausländischer Firmen bekommen, die trotz des Krieges in der Ukraine tätig werden wollen. Wenn potenzielle Investoren nach Kiew kommen, mache ich für sie persönlich die gleichen Touren, die wir Touristen anbieten. Das ist mir auch wichtig. Meine Eltern und die Familie meines Bruders haben ihr Haus in Oleschky nahe Cherson verloren und mussten fliehen. Die Stadt ist von Putins Truppen besetzt. Das ist mein Antrieb, weiter Touristen zu zeigen, was hier geschehen ist und geschieht.
Als Kind interessierte ich mich sehr für Geschichte. Und als ich verschiedene historische Bücher las, wurde mir klar, dass die Russen die Ukrainer jahrhundertelang als Ende betrachteten und in den 1930ern sogar einen Genozid an uns organisierten. Und jetzt wieder Ich weiß, dass die Geschichte zyklisch ist, und wenn wir Frieden haben, wird auch der vorübergehend sein. Die Welt sollte verstehen, dass die einzige Chance für den russischen Präsidenten, an der Macht zu bleiben, darin besteht, einen Feind ausser zu haben. Ich bin mir sicher, dass die Orks ihre Aggressionen fortsetzen werden, was die baltischen Länder vermutlich zu Püren bekommen werden. Bedauerlicherweise Ich fürchte auch, dass wir in den nächsten Jahren keinen Frieden haben werden.